Hat die deutsche Mannschaft wirklich eine Zukunft?
Hier schreibt Udo Lindenlaub eine exklusive Kolumne für Fritten, Fussball & Bier. Udo Lindenlaub ist der Autor des wunderbaren Buches „Von Asche zu Asche“.
Kaum ein Kommentator attestiert der deutschen Nationalmannschaft nach dem fulminanten WM-Auftritt keine glänzende Zukunft. Demnach scheint die sympathische Multikulti-Truppe jetzt schon zu den ausgemachten Favoriten der nächsten Endrunde in Brasilien zu gehören. Dem möchte ich einen simplen Gedanken entgegenstellen:
Im Fußball gibt es keine Zukunft. Schon gar nicht im vierjährigen WM-Zyklus. Gäbe es sie, wären wir hier alle mehrfache Toto-Multimillionäre – ausgedenk der Tatsache, dass wir uns jedes verdammte Wochenende gegenseitig die Quoten verhageln würden. Gäbe es Berechenbarkeit für die Zukunft, würden nicht immer Hausfrauen und Kinder die Tippspiele gewinnen, sondern wir, Â die ausgewiesenen Experten mit schätzungsweisen 5000-8000 Stunden Lebensfußballfernseherfahrung.
Fußball ist Gegenwartsgeschäft, sonst nichts. Fern- und Nebenwirkungen aus Maßnahmen und Erfahrungen der Vergangenheit sind zu unwägbar. Um Fußballweltmeister zu werden, müssen sich unzählige Mosaiksteine zusammenfügen: Die Mannschaft benötigt eine ausgeglichene Mischung aus Technik und Kampf, alt und jung, Erfahrung und Abenteuerlust, Intuition und Ratio, Plan und Improvisation. Die unmittelbare Logistik muss reibungslos verlaufen, der Spielplan hold sein, der Turnierverlauf eine Eigendynamik entwickeln. Die Elf muss topfit, taktisch flexibel und auf jede erdenkliche Situation mental vorbereitet sein. Es bedarf unabdingbar einer Spielergeneration, in der jede Position überdurchschnittlich besetzt und darüber hinaus in jedem Mannschaftsteil mindestens ein Spieler der Handelsklasse 1A verfügbar ist. Und gleichzeitig muss bei potenziellen Gegnern irgendetwas aus diesem Puzzel inkompatibel sein.
Es ist möglich und vielleicht sogar wahrscheinlich, dass die Deutschen 2014 viele dieser Voraussetzungen erfüllen werden. Besonders die Altersstruktur wird vermutlich sehr günstig sein, wenn die vielen jungen Spieler dann Mitte 20 sein werden und von Lahm und Schweinsteiger (und von Metzelder!!!) im mutmaßlichen Zenit geführt werden. Perspektivisch müssen nicht viele Säulen (Klose, Friedrich) ersetzt werden. Das ist zugegebenermaßen eine verlockende Aussicht. Dessen ungeachtet könnte es aber genauso gut passieren,
- dass sich die Deutschen so erbärmlich verkrachen, dass sie nach der Vorrunde gebeutelt nach Hause fahren wie heuer die Franzosen,
- dass sich die Barca-Talentschmiede als unerschöpflich und somit Spanien auf Jahre unbezwingbar erweisen wird,
- dass die Brasilianer durch den Heimvorteil beflügelt genau die richtigen Maßnahmen ergreifen werden, die sie souverän den Titel gewinnen lassen werden,
- dass es in Argentinien jetzt schon sechs 18jährige gibt, die noch niemand kennt, die aber so stark sein werden, dass sie den Titel im Tango erspielen,
- dass Laurent Blanc die ganzen verzogenen Egomanen rauswirft und die Equipe mit dem zweifelsfrei hohen Potenzial grundlegend renoviert,
- dass sich Italien den Pokal mit Drecksfußball ergaunert,
- dass England gegen Deutschland das Finale im Elfmeterschießen gewinnt.
Zugegeben, letzteres erscheint absurd, denn Naturgesetze werden wohl nicht widerlegt werden. Aber auch das Unwahrscheinliche gehört zum Wahrscheinlichen. Deswegen sind Prognosen im Fußball oft nur gebackene Luft. Und die Tippspiele werden wieder die Hausfrauen gewinnen. Vermutlich.
Josh
nicht zu vergessen: wie werden sich die Spieler entwickeln. Es gab schon viele große Talente, die heute keiner mehr kennt…