Die Hartplatzhelden holen uns den Fussball zurück
Stellt euch mal folgendes vor. Ihr geht zu einem Fussballspiel eures Sohnes und wollt von seinen Spitzenleistungen ein Video drehen. Die Kamera habt ihr schon in der Hand und der Auslöser ist auch schon fast gedrückt, aber genau in diesem Moment kommen zwei große schwarzgekleidete Herren auf euch zu und erklären euch etwas unsanft, dass ihr eben eine verbotene Handlung betreibt und erteilen euch – nachdem ihr euch geweigert habt, das Filmen einzustellen – damit ebenfalls etwas unsanft Hausverbot. Na toll, dabei wolltet ihr doch nur von eurem Sohnemann ein Video für die Nachwelt drehen…
So in der Art könnte es demnächst auf den Fussballplätzen Deutschlands aussehen können. Klar, das ist etwas krass dargestellt, aber der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil bei der Verhandlung Württembergische Fussballverband (WFV) vs. Hartplatzhelden genau dieses so ganz nebenbei entschieden. Der ein oder andere Blogger spricht daher inzwischen von einem Pyrrhussieg und kann sich erst in zweiter Linie über den eigentlich doch klaren Erfolg der Hartplatzhelden freuen.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Argumentation des WFV, dass die Hartplatzhelden mit der Veröffentlichung von Amateurvideoclips „eine unerlaubte gewerbliche Verwertung“ betreiben klar zurückgewiesen. Das BGH argumentiert weiter, dass es kein ausschließliches Recht an der Verwertung von Fussballspielen gibt und damit der WFV als Veranstalter der Spiele auch nicht das Recht hat, dieses einzufordern. Das alles gilt jedoch nur für Ligen, in denen es keinen Fernsehvertrag gibt. Das nur zur Vollständigkeit, nicht dass jetzt gleich jemand auf die Idee kommt und das für die Bundesliga anwenden will. Dort wird aufgrund des Fernsehvertrags wieder alles ganz anders gehandhabt. (Urt. v. 28.10.2010, Az. I ZR 60/09 – noch nicht veröffentlicht)
Wir haben klar gezeigt, dass wir uns von den Verbänden nicht alles verbieten lassen. Das ist ein Stück Freiheit für die Spieler und Vereine, nicht nur für das Internet. (Oliver Fritsch, Gründer und Betreiber der Hartplatzhelden, im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung)
So ganz nebenbei – und damit wären wir wieder bei unserer Anfangsgeschichte – gab es dann aber vom BGH noch den Hinweis, dass die Vereine ja mit ihrem Hausrecht das Filmen auf dem Sportgelände verbieten können und sich die Verbände so indirekt in Absprache mit den Vereinen die Verwertungsrechte sichern können.
Uns war klar, dass es schwierig wird und dass wir uns auf absolutes Neuland begeben. Wir wehren uns ja nicht gegen das Filmen, sondern gegen das Verwerten. (Michael Hurler, Vizepräsident des WFV, nach der Urteilsverkündung)
Einverstanden ist der WFV mit dem Urteil jedoch ganz und gar nicht. Der Verband müsse ja den Spielbetrieb organisieren, Schiedsrichter ausbilden und auch sonst für einen regulären Ablauf sorgen, aber Lizenzen vergeben für Bilder und Videos dürfe man nicht. Michael Hurler, der Vizepräsident des WFV, ist gar nicht davon begeistert, dass man zwar die Arbeit habe, aber nicht im Konzert der großen Verwertungsangelegenheiten mitspielen kann. Für mich hört sich das ein wenig nach verletztem Stolz an, wie kann man denn auch nur verbieten wollen, dass ich meinen Sohn, meinen Bruder oder meine Freunde auf dem Fussballfeld filme? Klar ist doch auch, dass man heutzutage nicht mehr nur für den Videoschrank filmt, sondern die Filme auch bei Youtube, Hartplatzhelden & Co. einstellt und so theoretisch die ganze Welt teilhaben lässt. Aber hey sorry, der einzige der da sein Veto einlegen kann, ist der Gefilmte selbst und wenn der dafür sein OK gibt, dann ist das auch OK. Da kann niemand kommen und sagen: „Hey mir gehört der Fussball, du spielst zwar, aber nur für mich!“. Das geht nicht meine Damen und Herren und daher sind – wenn man die Internetreaktionen des gestrigen und heutigen Tages verfolgt, alle Fans froh, dass das Urteil genauso ausgefallen ist.
Oliver Fritsch, der Betreiber der Hartplatzhelden, ist natürlich froh über das Urteil und teilt der Fangemeinde auch gleich mit, dass er nicht glaube, dass die Vereine von ihrem Hausrecht Gebrauch machen. Wieso denn auch, sie bekommen ja eine kostenlose Werbung, indem ihr Name genannt wird, das Stadion oder der Sportplatz gezeigt werden und indem sie besonders motivierte Spieler haben, die sich über jedes Video über einen selber freuen.
Mit den Klubs hatten wir nie Probleme. Es wäre eine gänzlich andere Geschichte, würde ein Verein direkt auf uns zukommen. (Oliver Fritsch, Betreiber der Hartplatzhelden)
Habt ihr euch eigentlich mal Gedanken gemacht, was ein negatives Urteil für die Hartplatzhelden für uns alle bedeutet hätte? Das geht weit über den Fussball hinaus, denn mit dieser Grundsatzentscheidung hätte dann jeder Betreiber einer öffentlichen Veranstaltung dir verbieten können, Fotos oder Videoaufnahmen davon zu machen. Also keine Fotos mehr auf dem Oktoberfest, denn diese könnte man ja später noch verwerten. Keine Fotos mehr auf der Skipiste, denn auch dort könnte man ja noch etwas verwerten. Die Liste könnt ihr beliebig fortsetzen, eines jedoch bleibt dabei immer hängen, eure eigenen Rechte werden stark beschnitten. Nicht mehr ihr selber könnt über eure Fotos entscheiden, sondern das macht dann immer jemand anders. Selbst wenn ihr selbst auf dem Foto zu sehen seid, entscheidet jemand anders wo und wann das veröffentlicht wird und wie man Geld damit verdienen kann. Na super, das wären ja tolle Aussichten gewesen, gut dass es anders gekommen ist und gut, dass die Richter beim BGH Ahnung von ihrem Job haben und sich nicht groß von außen beeinflussen lassen.
Und damit ist wohl klar, der Fussball gehört weiterhin uns, uns allen, egal ob Fan oder Spieler und nicht einem Verband, der über unsere Köpfe hinweg entscheiden möchte. Ja uns, danke Hartplatzhelden, dass ihr das durchgezogen habt, danke BGH für deine Entscheidung und danke Fussball, dass es dich überhaupt gibt…
Zum Ende gibt es hier noch einige weiterführende Links, die die Thematik deutlich besser zusammenfassen und  die rechtlichen Aspekte besser erklären können als ich, der bei so viel Paragraphenreiterei schnell zum absoluten Laien wird.
- Ein Anwalt erklärt das Urteil im Einzelnen, sehr interessant und verständlich geschrieben. Unbedingt lesen: www.lto.de
- Natürlich die Hartplatzhelden selbst. Dort wird das Urteil auch noch genauer erklärt: www.hartplatzhelden.de
- Der hochoffizielle Blog zum Prozess mit vielen Hintergrundinfos: hartplatzhelden.wordpress.com
- Hier wird das Urteil im Internet veröffentlicht. Die alten jetzt aufgehobenen Urteile könnt ihr dort auch nachlesen sowie den Links zu verschiedenen Anwälten folgen, die die Urteile kommentieren: www.dejure.org
Und für alle die es interessiert, noch die Pressemitteilung des BGH zum Urteil.
Nr. 206/2010
Kein wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz für Amateurfußballspiele
Der u.a. für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass ein Fußballverband es hinnehmen muss, wenn kurze Filmausschnitte von Amateurfußballspielen seiner Mitglieder im Internet öffentlich zugänglich gemacht werden.
Die Beklagte betreibt unter der Internet-Adresse „www.hartplatzhelden.de“ ein durch Werbeeinnahmen finanziertes Internetportal, in das Besucher von Amateurfußballspielen selbst aufgenommene Filme einstellen können, die einzelne Szenen des Spielgeschehens von ein- bis eineinhalbminütiger Dauer wiedergeben. Die Filmausschnitte können von anderen Internetnutzern kostenlos aufgerufen und angesehen werden.
Der Kläger, der Württembergische Fußballverband e.V., ist der Ansicht, dass ihm als Veranstalter der Spiele in seinem Verbandsgebiet das ausschließliche Recht zu deren gewerblicher Verwertung zusteht. Er hat daher von der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Leistungsübernahme, der wettbewerbswidrigen Behinderung sowie des Eingriffs in sein Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb Unterlassung verlangt.
Die Klage hatte vor dem Landgericht Stuttgart Erfolg. Das Oberlandesgericht Stuttgart hatte die Berufung zurückgewiesen und die Revision zugelassen.
Der Bundesgerichtshof hat ein ausschließliches Verwertungsrecht des klagenden Verbandes verneint und die Klage dementsprechend abgewiesen. Maßgeblich dafür war, dass die Veröffentlichung der Filmausschnitte entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts keine nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UWG* unlautere Nachahmung eines geschützten Leistungsergebnisses darstellt. Die vom Kläger erbrachte Leistung der Organisation und Durchführung der Fußballspiele bedarf im Ãœbrigen nach Ansicht des Bundesgerichtshofs keines solchen Schutzes. Der Kläger kann sich über die ihm angehörigen Vereine eine entsprechende wirtschaftliche Verwertung der Fußballspiele in seinem Verbandsgebiet dadurch hinreichend sichern, dass Besuchern der Fußballspiele Filmaufnahmen unter Berufung auf das Hausrecht untersagt werden. Unter diesen Umständen hat der BGH ein besonderes Ausschließlichkeitsrecht von Sportverbänden auch unter den weiteren vom Kläger herangezogenen Gesichtspunkten verneint.
Urteil vom 28. Oktober 2010 – I ZR 60/09 – Hartplatzhelden
OLG Stuttgart – Urteil vom 19. März 2009 – 2 U 47/08
(CR 2009, 386 = MMR 2009, 395)
LG Stuttgart – Urteil vom 8. Mai 2008 – 41 O 3/08 KfH
(CR 2008, 528 = MMR 2008, 551)
Karlsruhe, den 28. Oktober 2010*§ 4 Nr. 9 Buchst. b UWG lautet:
Unlauter handelt insbesondere, wer
…
Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er
…
b)die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt …
Quelle: www.lto.de, www.hartplatzhelden.de, www.sueddeutsche.de
Frittenmeister
Mit dem Kantersieg geb ich dir absolut Recht! Selten zuvor hab ich so ein klares Urteil gesehen. Ich glaube und hoffe gleichermasen, dass die Verbände und Vereine jetzt nicht ihr Hausrecht wahrnehmen werden, würde ihnen sowieso nur Nachteile bringen. Ich lasse das mit dem Pyrrhussieg aber mal so stehen in der Hoffnung und dem Glauben, dass das nur ein Missverständnis ist 😉
Herzlichen Glückwunsch nochmal zu dem Urteil und zu dem damit langen aber erfolgreichen Kampf.
Oliver Fritsch
Danke an den Hausherrn.
Ein Pyrrhussieg? Das ist ein Missverständnis. Die Sache mit dem Hausrecht wussten wir schon vorher. Und das stand gar nicht zur Debatte. Glaubt jemand ernsthaft, dass die Verbände ihre Vereine zu einem Filmverbot drängen wollen?
Das war ein Kantersieg. Wir haben in allen Punkten bedingungslos Recht bekommen.