Falsche Freunde – Der Schwachsinn mit den Fanfreundschaften
Hier schreibt Udo Lindenlaub eine exklusive Kolumne für Fritten, Fussball & Bier. Udo Lindenlaub ist der Autor des wunderbaren Buches „Von Asche zu Asche“.
Emotional betrachtet ist es wohl so ziemlich das Schlimmste, was einem passieren kann, Anhänger des 1. FC Nürnberg zu sein. Doch in meinem Leben habe ich gelernt, leidensfähig zu sein. Die jeweiligen Ab- und Aufstiege nehme ich nur noch peripher zur Kenntnis. Zu dieser verhärmten Sichtweise wurde ich spätestens durch den vollkommen überflüssigen Abstieg nach dem Pokalsieg getrieben. Als ich diesen Triumpf auf der Tribüne miterleben durfte, war mir in dem Moment, als Andy Wolf den Pokal in den Himmel riss klar, dass dies auf Vereinsebene mein letzer Titel gewesen sein wird. Erst so langsam erhole ich mich von diesem Tiefpunkt, was sicherlich auch damit zusammenhängt, dass nun der ganze grausliche Schrott, den der van Heesen nach dem Abstieg gekauft hat, endgültig abgewickelt wurde.
Doch was meine Lage zusätzlich verkompliziert sind die sekundären Pflichtgefühle, die man als Clubfan automatisch haben muss. Aber ich frage mich seit Kindesbeinen an: Warum eigentlich? Warum soll ich unterbewusst auch immer noch auf Schalke schielen, nur weil es eine solche gepflegte Tradition gibt? Nein, ich möchte mich emotional nur einem Verein zugehörig fühlen. Den Rest der Liga möchte ich gefälligst neutral beobachten und situationsabhängig bewerten dürfen, meine Sympathie immer wieder neu verteilen oder entziehen dürfen. Ich will jetzt im Moment Dortmund geil finden dürfen, weil die mit jugendlichem Elan laufen, spielen, rennen, kombinieren  und wirbeln, dass es eine helle Freude ist, dass einem das Herz aufgeht. Ich will den Götze vorbehaltlos genießen dürfen, wie er mit schwereloser Eleganz immer eine spielerische Lösung findet. Ich möchte mit der Zunge schnalzen können, wie die Dortmunder ein uraltes spieltaktisches Mittel aus der Versenkung geholt und kultiviert haben: Den guten alten Doppelpass. (Schauen sie mal genau hin in den nächsten Spielen!!!) Ich möchte es bewundern dürfen, dass Dortmund dank Klopp aus dem Sarg geklettert ist und Schuldenabbau sowie sportliche Weiterentwicklung gleichzeitig vollbracht hat.
Und nicht aus einer obskuren Verbindung aus Vorzeiten heraus in die Schalker Seele schlüpfen müssen, demnach hoffend, dass Dortmund jetzt noch einbricht und auf der Ziellinie verhungert. Nur damit diese alberne Fanfreundschaft bedient wird. Nur, weil sich in den frühen Achtziger Jahren zwei Fanclubs, statt sich wie gedacht, gegenseitig krankenhausreif zu semmeln, doch lieber bis zur Besinnungslosigkeit gesoffen haben. Und sich daraus eine scheinbar heilige Verbindung entwickelte. Umgekehrt fand ich die auf Pump zusammengekauften Meisterschaften des BVB in den Neunziger Jahren abgründig, und den Run von Schalke im letzen Jahr geradezu großartig. Doch ich möchte frei sein in meinen Bewertungen. Und nicht abhängig von so einem anachronistischen Unfug wie eine tradierte Fanfreundschaft. Denn nach dem Spiel zusammen feiern kann man zur Not auch einfach so.